Hermann-Josef Berk „Zum Erwachen der Psychoanalyse – Der zweite Weg der Aufklärung“

Sigmund Freud hielt am 2. April 1896 vor der Wiener Ärztegesellschaft einen Vortrag über die Aitiologie der Hysterie. Seine hier dargelegte Theorie erfuhr dabei schärfste Ablehnung, auch seitens seiner Freunde und Förderer. Und bis heute wird die Meinung vertreten, es sei Freuds Darstellung der Rolle der Sexualität gewesen, was die Anfeindungen in Gang gesetzt hätte.

Dies ist jedoch eine völlige Verkennung des tatsächlichen Grundes. Freud hatte, von ihm selbst unterschätzt, ein für die Ärzteschaft existentielles Tabu gebrochen, als er für die Entstehung der Hysterie nicht, wie damals gelehrt wurde, organische Ursachen diagnostizierte, sondern ausschließlich psychische Ursachen nachwies. Damit aber hatte Freud das seit dreihundert Jahren Stein für Stein errichtete naturwissenschaftliche Bollwerk gegen die von der Heiligen Inquisition dogmatisierte Scholastik ins Wanken gebracht. Psychisches, bis dahin Domäne der Kirche, konnte auf keinen Fall hingenommen werden und so stand die Rettung des Bollwerks höher als die durch Freud gezeigten Heilungsmöglichkeiten.

Berk entwickelt in seinem Essay Schritt für Schritt, aus welchen psychohistorischen Quellen heraus Freud für lange Zeit von Medizinerseite bekämpft werden musste und wie sich dann aber doch seine Entdeckung vom psychischen Zusammenhang von Individual-, Kultur- und Politikgeschichte durchsetzte. Damit aber war der Weg frei für die zweite Aufklärung, die inzwischen durch die zur Ersatzreligion erhobene Naturwissenschaft wieder verunklart zu werden droht.

Dr. phil. Hermann-Josef Berk (1941-2008) lebte in Köln. Er war Präsident der Deutschen Gesellschaft für sozialanalytische Forschung e.V., die sich der Verbindung von Psychoanalyse und Soziologie widmet. Seine wissenschaftlichen und praktischen Interessen richteten sich auf die Psychologie der aufeinander zugreifenden Felder von Medizin, Jurisprudenz, Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Medien.

Zwölf Jahre war er auf Landes- und Bundesebene tätig als Vorsitzender und Vorstandsmitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V., wo er beim Zustandekommen des Psychotherapeutengesetzes mitwirkte.

Seit 1985 war ein Tätigkeitsschwerpunkt die Medienpsychologie. Zahlreiche Beiträge in den Print-, Hörfunk- und TV-Medien stammen von ihm, wobei sich der jeweilige Arbeitsansatz aus der Beobachtung des psychohistorischen Herkommens der aktuellen Problemstellungen entwickelte.

Hermann-Josef Berk
Zum Erwachen der Psychoanalyse – Der zweite Weg der Aufklärung
160 Seiten, Englische Broschur,
24.–Euro
ISBN 3-85540-026-4

 

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